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citizenship

vom dach zum boot!
mit einem dach über wasser von berlin nach kassel

2. JUN - 25. SEP 2022

Im Juni und Juli 2022 wird sich das Dach des Zentrum für Kunst und Urbanistik (ZK/U) auf die Reise zur documenta fifteen begeben. Angetrieben und versorgt durch die Menschen der Umgebung, mit einem reichhaltigen internationalen Programm und Wissensaustausch wird es in ca. 40 Etappen Kassel erreichen. 

documenta fifteen eine Einladung

Das Künstlerkollektiv ruangrupa aus Jakarta/Indonesien wurde als Kurator:innen für die in diesem Jahr stattfindende documenta fifteen in Kassel berufen. Die grundlegende Frage der kommenden documenta lautet: wie können wir die auf der Welt ungleich verteilten Ressourcen gerechter und besser teilen? Ein Sinnbild für diese Frage der Ressourcenverteilung ist das in Indonesien zu findende Lumbung  (indonesischer Begriff für eine gemeinschaftlich genutzte Reisscheune). Als künstlerisches und ökonomisches Modell fußt lumbung auf Grundsätzen wie Kollektivität, gemeinschaftlichem Ressourcenaufbau und gerechter Verteilung. ruangrupa erweiterte die documenta Einladung auf das von ihnen gegründete Lumbung Netzwerk, ein Verbund von 14 internationalen Kollektiven, die globale Fragestellungen durch lokale Praxen behandeln. Das Zentrum für Kunst und Urbanistik (ZK/U) ist eines dieser Orte.

Das ZK/U Berlin

Das ZK/U ist ein Ort der Kunstproduktion, eine Künstler- und Forscher*innen-Residenz und eine Programmplattform. Es verbindet lokales Schaffen mit globalen Diskursen. 

Das ZK/U befindet sich in einem ehemaligen Güterbahnhof in Moabit, einem Stadtteil von Berlin, in dem soziale Spannungsverhältnisse zwischen etablierten Bürger:innen eines Bildungsmilieus, Migrant:innen der ersten und zweiten Generation in prekären Lebensverhältnissen sowie neu ankommenden Gruppen besteht. Die Arbeit des ZK/U zielt daher auf eine (Re-)Aktivierung der sozialen und räumlichen Beziehungen zwischen einzelnen Personen und Gruppen, die durch Bildung, Einkommen, Geschlecht und kulturellen Hintergrund getrennt sind. Ziel ist es, globale Diskurse und lokale Praktiken zusammenzuführen. Dabei erkundet das ZK/U, auf welche Weise Kunst ein Katalysator für den Wandel im städtischen Raum sein kann, und versucht durch seine Arbeit, die Machbarkeit dieser partizipativen, urbanen künstlerischen Praktiken zu demonstrieren.

Citizenship: Vom Dach zum Boot

Versammlungs- und Veranstaltungsort des ZK/U ist die ehemalige Lagerhalle des Güterbahnhofs, mit einem aufgeständerten hölzernen Satteldach. Das ZK/U hat in den 10 Jahren seit seiner Eröffnung unter diesem Dach mit seinem gemeinnützigen Trägerverein hunderte Zusammenkünfte, Ausstellungen und Veranstaltungen beherbergt. Dieses mit Ideen und Impulsen kollektiv energetisch aufgeladene Dach wird als Beitrag des ZK/U in das Lumbung eingebracht - metaphorisch und konkret zugleich.

Demontiert und um 180 Grad gedreht, wird das Dach zu einem Boot umgebaut — der schützende Unterstand wird zum widerstandsfähigen Schwimmkörper. In einer mehrwöchigen Reise vom angrenzenden Westhafen in Berlin fährt das Boot auf Flüssen und Kanälen (Havel, Mittellandkanal, Weser und Fulda) quer durch die mitteldeutsche Landschaft: ein schwimmendes künstlerisches Forschungsprojekt.

Energie des Kollektivs

Die Citizenship tritt ihre Reise ohne jegliche Ausstattung an. Lebensmittel, Energie, Unterkunft und Kulturprogramm muss die Besatzung des Bootes sich auf den unterschiedlichen Etappen in Kollaboration mit örtlichen Vereinen, Häfen, Kommunen und Unternehmen einwerben. Diese Abhängigkeit von den lokalen Strukturen ist Teil des Konzepts und bringt                         

die Reisenden in Kontakt mit örtlichen Gegebenheiten der jeweiligen Anlegestellen, welche von kleinen Dörfern bis hin zu größeren Städten wie Hannover, Wolfsburg und Braunschweig reichen. Das Schiff wird die Strecke von Berlin nach Kassel ohne fossile Brennstoffe zurücklegen, sondern von menschlicher Kraft angetrieben: Die Besatzung wird in Kooperation mit Anwohner:innen, Besucher:innen und Passant:innen paddeln, radeln, ziehen und schieben, um das Boot in Bewegung zu versetzen.

Ohne den Einbezug der Umgebung kommt die Citizenship nicht voran. In permanenter Interaktion mit den Bürgern der durchquerenden Orte und Städte, zwischen Tradition und Wandel, zeichnet das Citizenship ein Gesellschaftsportrait unserer Zeit.

Globale Fragen - lokale Praxis

Während der Reise übernimmt jeweils eines der Lumbung Mitgliedskollektive oder eingeladene Künstlerinnen das Kommando an Bord und gestaltet die Etappe mit Fragestellungen und Angeboten, die sie aus ihren jeweiligen Orten und Kontexten mitbringen. So entsteht ein reger Austausch von Energie und kulturellen Praxen der lokalen und internationalen Teilnehmer: das örtliche Blasorchester interpretiert z.B. einen musikalischen Klassiker aus Java, der lokale Koch entwickelt ein Rezept aus Mali weiter…, neue hybride Formate entstehen, ein eigener Schiffskosmos wächst heran. Aus einem Schiff wird ein Citizenship, getragen von kollektiver Anstrengung und einem transnationalen Austausch von Wissen und Fragen:

Wo begegnen sich die Bedarfe aus einem Dorf in Kolumbien oder Palästina mit denen von Dörfern entlang der Havel, des Mittelland-Kanals, der Weser und der Fulda?

Wie können sich kulturelle Eigenheiten und lokales Wissen in den Beziehungen von Land und Stadt, von Regionen und Kontinenten, in der Begegnung von Mensch zu Mensch entlang der Bundeswasserstraße gegenseitig bereichern?

Etappen

Die Fahrt ist in mehrere Etappen und Ereignisse gegliedert. 

Das Schiff startet leer, als Schiffskörper ohne Energie und Inhalt. Mit jeder Station, mit jedem Mannschaftswechsel, mit jeder Begegnung, wird das Citizenship sukzessive aufgefüllt mit Energie, Ritualen und kulturellen Formen. Nach mehreren Wochen eines translokalen, horizontalen Austauschs in Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Hessen kommt das Citizenship gefüllt und bereichert in Kassel an.

Credits

Das Projekt citizenship ist ein Projekt des ZK/U Berlin vom Künstlerkollektiv KUNSTrePUBLIK (Matthias Einhoff, Philip Horst, Harry Sachs) und ist deren Beitrag zur documenta fifteen in Kassel.

Das Community Programm auf dem citizenship entsteht in Zusammenarbeit mit dem Künstler Jan van Esch.

Die Bootkonstruktion wurde von Jonas Hohmann entworfen, geplant und gebaut. Bootsbau: Felix Kremer - Bootsbauer, Ilja Borgböhmer, David Becker - Zimmermann, Seb Birch – Co-Entwurf

Module für Kunst und alltägliches Leben: xyz open city - von N55 und Till Wolfer

Hydropedalantrieb: Alexander Callsen und Ole Voss

Fraunhofer Institut Kassel - Roland Gaber

FH Wildau - Prof. Michael Herzog und Studenten

Uni Rostock - Fachbereich Schiffsbau - Prof Florian Sprenger, Iven Sponholz

Künstlerischer Beitrag und künstlerische Produktion: Kristina Miller

Assistenz-Kuratorenteam: Estelle Pandao Lassus

Ehemalige Assistent:innen: Leo Busch, Isabel Magritz, Arda Yeldan

Kommunale Einbindung: Lea Schleiffenbaum

Presse und Kommunikation: Elisa Georgi

Design: Lars Neckel

Webentwicklung: Lars Hayer

Kooperierende Künstler:innen & Kollektive:

Aline Schwörer, Nelly Choné, Frank Jimin Hopp, Marie Salcedo Horn, Danijela Pivašević-Tenner

Art Ashram - Klara Adam, Sina Ahlers, Nelli David, Florian Dietrich, Georg Scherlin, Verena Seibt, Markus Zimmermann

Arved Schultze

ConstructLab - Alexander Römer

Co–Re (Contextual Research) - Pablo Santacana Lopez, Svenja Simone Schulte, Viviane Tabach, Jan Barner, Min Kyung Kim, Daniela Medina-Poch, FrEderick Becker, Redwane Jabal

Daniel Seiple

Gob Squad Arts Collective

IAK - Institut für Architekturbezogene Kunst TU Braunschweig - Folke Köbberling, Sina Heffner, Bernd Schulz, Gergely Laszlo, Max Jeromin, Benjamin Menzel, Michael Zwingmann, Alexa Kreissl + 140 Studierende

Lea Søvsø

Kristina Miller

Madar Collective - Yong Sun Gullach, Fedaa Sultan

Mimiferment - Reiko Kanazawa, Markus Shimizu

Picnic FM - Andrea Goetzke + Josephinex Hansis

PrivatOper - Roland Castringius, Andrea Chudack, Katharina Laura Kunz, Tobias Opialla, Lars Straehler-Pohl 

ReFunc - Jan Körbes

Schneider TM & Tomoko Nakasato

Selbstgebaute Musik - Lea Grönholdt, Matthias Kremsreiter, Sascha Schneider, Manuel Strube, Hajo Toppius